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27. April 2024

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Die Mathematik des Zufalls

Die Mathematik des Zufalls© pexels/andrea piacqudio



Der österreichische Wissenschaftsfonds FWF prämiert alljährlich mit den START-Preisen herausragende wissenschaftliche Arbeiten. Eine Auszeichnung geht heuer an den Mathematiker Máté Gerencser von der TU Wien.



(red/mich) Der START-Preis des Wissenschaftsfonds FWF gilt als die wichtigste Auszeichnung für junge Wissenschaftler in Österreich. Die Prämierungen sind mit bis zu 1,2 Millionen Euro dotiert und sollen bereits in einer frühen Phase der Forschungskarriere den Aufbau einer eigenen Forschungsgruppe von internationalem Spitzenniveau ermöglichen.

Bei den diesjährigen START-Preisen erhält nun Máté Gerencsér vom Institut für Analysis und Scientific Computing der TU Wien eine Auszeichnung. Gerencsér forscht an stochastischen partiellen Differentialgleichungen, ein Forschungsgebiet in einem relevanten Kontext auch mit der modernen Physik.



Die Beschreibung der Welt

Differentialgleichungen sind heute das wohl wichtigste mathematische Werkzeug für die Naturwissenschaften. Es sind Gleichungen, deren Lösung nicht bloß eine Zahl ist, sondern üblicherweise eine Funktion. „Etwa die Form einer Welle, ein Temperaturverlauf, der von Ort und Zeit abhängt, oder Turbulenzen in Luft oder Wasser“, erklärt Máté Gerencsér. Die heutzutage bekannten Naturgesetze werden in Form von Differentialgleichungen beschrieben.

Das gilt für die Newton’schen Bewegungsgesetze wie für die Gleichungen der Elektrodynamik oder die Schrödingergleichung – eine partielle Differentialgleichung, die das Verhalten von Quantenteilchen beschreibt. Dabei handelt es sich um deterministische Gleichungen: Wenn man den Zustand eines physikalischen Systems zu einem bestimmten Zeitpunkt kennt, ist dadurch auch der Zustand zu einem anderen Zeitpunkt festgelegt. 


Der Faktor Zufall als Bestandteil von Gleichungen

Die Gleichungen, mit denen sich Máté Gerencsér beschäftigt, sind aufwändiger: „In unserer Forschungsgruppe arbeiten wir mit stochastischen Differentialgleichungen – also mit Differentialgleichungen, in denen auch ein gewisses Maß an Zufall eingebaut ist, etwa eine bestimmte Art von Rauschen“, skizziert der TU-Forscher.

Beispielsweise kann man mit gewöhnlichen Differentialgleichungen ausrechnen, wie schnell ein heißer Stab in einer kühlen Umgebung abkühlt. Aber was ist, wenn es zusätzlich eine zufällig fluktuierende Wärmequelle gibt, die den Stab aufheizt? Mit der Schrödingergleichung kann man die Bewegung eines Elektrons berechnen. Aber was ist, wenn das Elektron dabei völlig zufällig von anderen Teilchen gestört wird?

Die sogenannten Renormalisierungsverfahren

Um solche Zufälligkeiten in der Welt der Differentialgleichungen berücksichtigen zu können, müssen komplett neue mathematische Werkzeuge entwickelt werden. So kann es etwa passieren, dass bestimmte Terme dieser Differentialgleichungen unendlich groß werden, das ist dann die sogenannte Singularität. In dieser Situation versagen dann herkömmliche mathematische Methoden. Zur Ermittlung von zuverlässigeren Methoden dienen hier dann sogenannte Renormalisierungsverfahren.

„Auf diesem Gebiet gab es zuletzt wichtige Durchbrüche“, sagt Máté Gerencsér vom Institut für Analysis und Scientific Computing der TU Wien. Via START-Preis sollen nun diese Themen weiterentwickelt werden. Máté Gerencsér studierte Mathematik an der Eötvös Loránd Uni in Budapest und dissertierte an der Uni Edinburgh. Dann folgten Studienaufhalte an der Uni of Warwick bei Fields-Medaillen-Gewinner Martin Hairer und der Wechsel nach Österreich an das IST Austria. 2020 erhielt Gerencsér die Laufbahnstelle an der TU Wien.

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red/mich, Economy Ausgabe Webartikel, 30.06.2023