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27. April 2024

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Neue Wege in der Transplantationsmedizin

Neue Wege in der Transplantationsmedizin© pexels/tara winstead

Gerald Brandacher kommt von der Johns-Hopkins-Universität (US) zurück an die Med Uni Innsbruck. Der Tiroler gilt als internationaler Spitzenmediziner zum Thema Organbanken und längerfristigen Konservierungsmethoden.

(red/czaak) Der Aufbau einer Organbank ist bisher noch Zukunftsmusik. Dabei hätte die Konservierung von menschlichen Organen für die Transplantationsmedizin große Vorteile: Chirurgen könnten aus einer größeren Anzahl von Organen das optimale für ihre jeweiligen PatientInnen aussuchen. Herzen, Nieren oder beispielsweise Lebern können aber aktuell nicht länger gelagert werden. Mit einer neuen Konservierungsmethode für Organe könnte die Organbank nun allerdings bald Realität werden.

Wissenschaftliche Entwicklung von Organbanken
Weltweit wird daran geforscht und zukünftig sollen wichtige Bausteine zur Realisierung auch von der Medizinischen Universität Innsbruck kommen. „Wir wollen an der wissenschaftlichen Entwicklung von Organbanken mitarbeiten“, sagt Gerald Brandacher. Seit 1. September 2023 ist der Tiroler Professor für translationale und experimentelle Transplantationschirurgie an der Medizinischen Universität Innsbruck. Zuletzt war Brandacher als Direktor des renommierten Johns Hopkins Programms für rekonstruktive Transplantation in den USA tätig.

Als designierter Co-Direktor der Innsbrucker Univ.-Klinik für Viszeral-, Transplantation- und Thoraxchirurgie möchte Brandacher nun gemeinsam mit Stefan Schneeberger, Klinikchef und Direktor der Univ.-Klinik für Viszeral-, Transplantation- und Thoraxchirurgie, neue Wege umsetzen. „Wir wollen in Zukunft noch mehr Menschen helfen können, zum Beispiel auch durch Transplantationen nach Krebserkrankungen“, unterstreicht Stefan Schneeberger.

Organe werden medizinisch eingefroren
Organe können für einen längeren Zeitraum nicht einfach eingefroren werden, denn bei üblichen Kühlmethoden kommt es immer zur Eisbildung und damit zu einem Funktionsverlust. Durch eine neue, hochkomplexe Kältekonservierungstechnik, eine Art medizinisches Einfrieren ohne Eis, könnten Organe über Tage, Wochen, oder sogar Monate konserviert werden. Supercooling und Vitrifikation heißen diese Methoden, von denen einige aktuell bereits in der Reproduktionsmedizin zur Konservierung von Embryonen oder Eizellen eingesetzt werden.

„Wir forschen daran, Organe eisfrei unterhalb des Gefrierpunkts zu konservieren. Noch können wir das in der klinischen Routine nicht einsetzen, aber die Forschung ist sehr weit. Wir möchten diese vielversprechende wissenschaftliche Arbeit gemeinsam mit unseren Kollaborationspartnern weiter vorantreiben“, so Gerald Brandacher. Im finalen Fokus steht der Aufbau von Organbanken und hier gilt es nun erste praxistaugliche Bausteine zu entwickeln.

Innsbruck führendes Zentrum beim Thema „Auftauen“ mittels Maschinenperfusion
Ein wichtiger medizinischer Aspekt ist auch das Thema „Auftauen“. „Wir müssen die Organe wieder erwärmen und ihre Qualität im warmen Zustand testen“, erklärt Brandacher. Hierbei kommt die sogenannte Maschinenperfusion zum Einsatz. Dabei können Organe an ein hochspezialisiertes Gerät angeschlossen werden, dass die Durchblutung mittels einer Perfusionslösung imitiert. Bei Körpertemperatur wird hierbei die Funktion eines Organs außerhalb des Körpers aufrechterhalten, kontrolliert und gegebenenfalls optimiert.

Innsbruck ist bei der Einführung dieser Technik in der klinischen Routine federführend in der EU und bietet damit einen idealen Anknüpfungspunkt für die bisherigen Forschungsarbeiten von Brandacher. „Wir waren unter den ersten in Europa, die für die Leber ein solches Gerät in Betrieb genommen und etabliert haben. Mittlerweile werden 80 Prozent der Lebern in Innsbruck so vorbehandelt. Wir haben hier weltweit erstmals Aufbewahrungszeiten von bis zu 40 Stunden erreicht“, skizziert Schneeberger. Als nächstes sollen Maschinenperfusion nun auch bei Nieren funktionieren.

Rückkehr von US-Eliteuniversität als Auszeichnung für Medizin Uni Innsbruck
An der Innsbrucker Uni-Kinik werden jährlich 80 Lebern und 120 Nieren transplantiert, die Klinik ist generell auch in zahlreichen anderen Disziplinen international führend. „Brandacher und Schneeberger sind Schüler von Raimund Margreiter“, erklärt Rektor Wolfgang Fleischhacker. Der renommierte Chirurg Raimund Margreiter hatte mit mehreren weltweiten Transplantationen einst den Grundstein für Innsbruck als führendes Zentrum gelegt. „Die Johns Hopkins Universität gehört zu den besten Universitäten, einen österreichischen Top-Forscher zurückzuholen ist eine Auszeichnung für die Med Uni Innsbruck und den Wissenschaftsstandort Österreich“, betont Rektor Fleischhacker.

Gerald Brandacher (51) selbst ist in Wattens aufgewachsen und hat sein Studium mit „summa cum laude“ in Innsbruck abgeschlossen. Seine Ausbildung zum Transplantationschirurgen und seine Habilitation erfolgte unter Raimund Margreiter. 2008 ging der Tiroler in die USA, zunächst an die Uni von Pittsburgh. Seit 2010 war Brandacher in führenden Positionen an der Johns Hopkins Universität in Baltimore (USA) tätig. Brandacher war wissenschaftlicher Leiter bei der ersten bilateralen Hand-, und der ersten Armtransplantation in den USA sowie 2018 auch wissenschaftlicher Leiter bei der weltweit ersten vollständigen männlichen Genitaltransplantation.

Der mehrfach ausgezeichnete Arzt, Wissenschafter und engagierte Lehrer hat zahlreiche Forschungsprojekte geleitet und mehr als 25 Millionen USD an Drittmitteln eingeworben sowie über 80 Doktorarbeiten betreut. Brandacher verfügt ist Mitglied in vielen Gesellschaften und hat die „American Society of Reconstructive Transplantation“ (ASRT) mitgegründet und zuletzt als Präsident geleitet. Darüber hinaus ist er medizinischer Berater von mehreren innovativen Firmen, die neue Technologien in der Transplantationschirurgie entwickeln.

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red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 19.09.2023