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29. März 2024

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Cannabis vor Kokain und Metamphetamin

Cannabis vor Kokain und Metamphetamin© Pexels.com/Barikive 5079402

Gerichtsmedizin der MedUni Innsbruck analysiert für Europanetzwerk Score Entwicklung des Drogenkonsums in Österreich. Monitoring des Abwassers eignet sich auch für Überwachung des Corona-Virus.

(red/mich/cc) Das abwasserbasierte Drogenmonitoring in europäischen Städten wird seit Jahren eingesetzt, um Vergleichswerte und Trends des Drogenkonsums über Ländergrenzen hinweg festzustellen. Mit dem Institut für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität Innsbruck (GMI) nimmt seit 2016 auch Österreich am jährlichen Monitoring im Rahmen des europaweiten Netzwerkes Score teil.

Die Ergebnisse für 2020 stehen entsprechend unter dem Einfluss der Corona-Pandemie. Hier hat sich die Analyse von Abwasser auch als brauchbares Instrument für die Virus-Überwachung bewährt. 2020 wurden europaweit die Abwässer von 114 Kläranlagen in 99 Städten und Regionen analysiert, darunter auch jene von neun österreichischen und einer Südtiroler Kläranlage (Anm. insgesamt 117 österreichische Gemeinden).

Die Untersuchung lässt Rückschlüsse auf den Drogenkonsum von fast einer Million Menschen zu. Im Detail sind das rund neun Prozent der österreichischen, 42 Prozent der Tiroler, 27 Prozent der Steirischen, acht Prozent der Vorarlberger, ein Prozent der Niederösterreichischen und 30 Prozent der Südtiroler Bevölkerung.

Cannabis, Koks, Amphetamin, MDMA, Alkohol und Nikotin
Für die jährliche Score-Studie wurden 2020 regelmässige Proben von Kläranlagen entnommen. Die Analyse der einzelnen Konsummarker (Anm. Drogen und deren Stoffwechselprodukte) erfolgte wiederum im forensisch-toxikologischen Labor der Gerichts-Medizin-Innsbruck unter der Leitung des Chemikers Herbert Oberacher. Aufgrund der vorhandenen Expertise ist das Labor als einzige Einrichtung Österreichs zur Teilnahme am Score-Programm berechtigt.

Im Fokus standen die Suchtgifte Tetrahydrocannabinol (THC als Wirkstoff in Cannabis), Kokain, Amphetamin (Wirkstoff „Speed“), der Ecstacy-Wirkstoff MDMA (3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin) und Methamphetamin (Crystal Meth), sowie Alkohol und Nikotin. Die Ergebnisse der chemischen Analysen werden von der Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) in Lissabon für den europäischen Drogenbericht verwertet und veröffentlicht.

Kufstein führt bei Kokain, Graz bei Metamphetamin
Eine besondere Stärke des abwasserbasierten Drogenmonitorings ist die Möglichkeit des Vergleichs unterschiedlicher Regionen. So ergab die Analyse, dass der Pro-Kopf-Konsum an Alkohol und Nikotin innerhalb Österreichs relativ einheitlich ist. Bei den verbotenen Drogen bietet sich ein weniger homogenes Bild: In allen Regionen war Cannabis die dominierende Droge, wobei der THC-Konsum im urbanen Raum höher scheint als in ländlichen Gegenden. Unter den Stimulanzien ist Kokain die umfangstärkste Droge.

In Westösterreich wird Koks in größeren Mengen genutzt als in Ostösterreich, den höchsten Pro-Kopf-Verbrauch verzeichnet Kufstein. Auch beim Ecstasy-Konsum nimmt Kufstein den Spitzenwert ein. Der größte Konsum bei Amphetamin („Speed“) und Metamphetamin (Crystal Meth) ließ sich in Ostösterreich beobachten, speziell in Graz. Süd- und Nordtirol lassen sich über die Landeshauptstädte darstellen: In Bozen war der Verbrauch von Alkohol, Nikotin, Cannabis, Amphetamin und MDMA geringer als in Innsbruck, jener von Kokain war auf demselben Niveau.

Auswirkungen der Corona-Pandemie und öffentlicher Mehrwert
2020 wurden geringere Mengen an Alkohol und Nikotin konsumiert als 2019, was auf die Corona-Regelungen für Veranstaltungen und Gastronomie zurückführbar ist. „Die Corona-Einschränkungen scheinen Auswirkungen auf den Drogenmarkt zu haben. Trotz regionaler Unterschiede zeigen sich Rückgänge beim Wochenendkonsum von Partydrogen, insbesondere bei Alkohol und MDMA. Weiters auffällig war die Zunahme des Konsums von Methamphetamin (Crystal Meth) in manchen Regionen. Diese Entwicklung sollte im Sinne frühzeitiger Prävention im Auge behalten werden“, betont Herbert Oberacher von der Gerichts-Medizin Innsbruck (GMI).

Europaweit liegt Österreich und Südtirol bei allen analysierten Substanzen im internationalen Mittelfeld. Die auch durch andere Kennzahlen belegte Qualität der Innsbrucker Erhebung liefert Behörden und Politik zusätzliche Entscheidungshilfen für eine nachhaltige Drogenpolitik. „Das große Potenzial der abwasserbasierten Analyse hat sich auch in der Corona-Pandemie gezeigt. Dieses Monitoringsystem soll künftig EU-weit zur öffentlichen Gesundheitsüberwachung genutzt werden“, so Oberacher. „Mit der in Tirol zuletzt erarbeiten Expertise wollen wir eine führende Rolle bei der Umsetzung des nationalen Programms spielen“.

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red/mich/cc, Economy Ausgabe Webartikel, 31.05.2021