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29. März 2024

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Firmenpleiten und Privatkonkurse erreichen altbekannte Niveaus

Firmenpleiten und Privatkonkurse erreichen altbekannte Niveaus © Pexels.com/cottenbro

Laut aktueller Insolvenzstatistik vom KSV1870 wurden im abgelaufenen ersten Quartal 1.011 heimische Unternehmen insolvent. Dieser Anstieg von 110 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres entspricht den Ständen vor Corona. Gleiches gilt für Privatkonkurse.

(red/czaak) Die im Oktober 2021 eingesetzte Trendumkehr bei den Firmeninsolvenzen findet zu Beginn des neuen Jahres eine Fortsetzung. Parallel dazu erhöhen sich auch die vorläufigen monetären Passiva, und zwar um 56 Prozent auf 223 Millionen Euro. Die bis dato größte Firmenpleite betrifft die Polytechnik Luft- und Steuerungstechnik GmbH mit einem Volumen von knapp 70 Millionen Euro. Die Zahl der betroffenen Dienstnehmer hat sich auf rund 3.000 Personen verdoppelt und jene der betroffenen Gläubiger in etwa um die Hälfte erhöht.

Eine gewisse Stabilität im heimischen Insolvenzgeschehen
„Die aktuellen Zahlen befinden sich in etwa auf ‚Vor-Krisen-Niveau‘, womit zwei Jahre nach Beginn der Corona-Krise eine gewisse Stabilität im heimischen Insolvenzgeschehen erreicht wurde“, erklärt Karl-Heinz Götze, Leiter KSV1870 Insolvenz. Die Entwicklungen würden bestätigen, dass „die über fast eineinhalb Jahre auf sehr niedrigem Niveau befindlichen Insolvenzen primär den staatlichen Eingriffen geschuldet waren.“ Diese laufen nun größtenteils aus.

„Die kommenden Monate werden zeigen, wie stabil das wirtschaftliche Fundament zahlreicher Unternehmen tatsächlich ist“, so Götze. In absoluten Zahlen gab es im ersten Quartal 2022 die meisten Insolvenzen im Bereich „Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen“ mit 176 Fällen, gefolgt von der Bauwirtschaft (164 Fälle) und dem Gesundheits- und Sozialwesen (115 Fälle). Knapp dahinter auf Position vier befindet sich die „Beherbergung und Gastronomie“ mit 114 Firmenpleiten.

Sämtliche Bundesländer mit Plus bei Insolvenzen
Die aktuellen KSV1870 Ergebnisse liefern für das erste Quartal 2022 ein selten einheitliches Bild in ganz Österreich. So verzeichnen alle neun Bundesländer deutlich mehr Unternehmensinsolvenzen als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Wie bei den Privatkonkursen steht auch hier Tirol ganz oben: 80 Firmenpleiten bedeuten eine Steigerung von über 320 Prozent – geschuldet ist dies vor allem sogenannten „Nachholeffekten“ vergangener Monate. Dahinter folgen Vorarlberg (+ 288 Prozent) und Niederösterreich mit plus 234 Prozent. Den in Relation geringsten Zuwachs gibt es in der Steiermark – aber auch hier sind es plus 43 Prozent gegenüber dem ersten Quartal des Vorjahres.

Parallel zu den Firmenpleiten fallen im Vergleich auch die vorläufigen Passiva höher aus. Insgesamt sind die geschätzten Verbindlichkeiten um 56 Prozent auf 223 Millionen Euro gestiegen. Im Burgenland haben sich die Passiva von einer Million auf 29 Millionen Euro erhöht, hier gab es mehrere größere Insolvenzen. Besonders erhöhte Verbindlichkeiten betreffen auch Oberösterreich (+ 213 Prozent), Niederösterreich (+ 207) und Kärnten (+ 180). Umgekehrt verzeichnen Wien mit 58 Prozent und Vorarlberg mit 56 Prozent die deutlichsten Rückgänge – obwohl es auch hier mehr Pleiten gibt.

Mehr betroffene Dienstnehmer und Gläubiger und internationale Krisen
Mit zunehmenden Unternehmensinsolvenzen hat sich zuletzt auch die Zahl der betroffenen Dienstnehmer erhöht. Waren im ersten Quartal 2021 rund 1.500 Menschen von einer Insolvenz ihres Arbeitgebers betroffen, so sind es heuer 3.000 Personen (gleiche Verdopplung wie auch Anzahl der Insolvenzfälle). Ein deutliches Plus gibt es auch auf Gläubiger-Seite: Knapp 5.600 Gläubiger (+ 51 Prozent) müssen sich seit Jänner 2022 mit den Auswirkungen eines insolventen Geschäftspartners befassen. „Als KSV1870 ist es unsere Verpflichtung, die bestmögliche Quote für geschädigte Gläubiger zu erreichen, siehe zuletzt auch der Fall „Salzburg Schokolade“, wo eine Quote von 100 Prozent erreicht werden konnte“, betont Götze.

Krisenbedingt sei eine seriöse Einschätzung der Insolvenzen für die kommenden Monate mit großer Vorsicht zu betrachten, so der KSV1870. Wie im privaten Bereich haben auch die österreichischen Unternehmen mit hohen Energie- und Rohstoffpreisen zu kämpfen. „Aus heutiger Sicht ist erstmals seit Ausbruch der Pandemie ein Jahresergebnis auf ‚Vor-Krisen-Niveau‘ möglich“, so Götze. Für ganz Österreich wären das rund 5.000 Unternehmensinsolvenzen – abhängig aber eben vom Verlauf der Krisen rund um Corona und Russland. Hinzu kommen weitere Unsicherheitsfaktoren wie die Inflationsrate oder die Zinsanpassungen durch die Europäische Zentralbank.

Privatkonkurse um ein Fünftel gestiegen
Auch bei den Privatkonkursen setzt sich die im vierten Quartal 2021 erfolgte Trendumkehr im neuen Jahr fort, es gibt mehr private Pleiten und höhere Passiva. Laut aktueller KSV1870 Hochrechnung wurden im ersten Quartal 2022 in Österreich 2.135 eröffnete Schuldenregulierungsverfahren gezählt.

Das entspricht einem Plus von fast 20 Prozent gegenüber dem ersten Quartal des Vorjahres. Im Vergleich zum Jahr 2019, dem letzten „Normaljahr“ vor der Corona-Pandemie, bedeutet das einen Rückgang von etwas über 14 Prozent. Gleichzeitig sind im Vergleich zu den ersten drei Monaten des vergangenen Jahres auch die vorläufigen Passiva* gestiegen – und zwar um 36 Prozent auf 269 Millionen Euro.

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red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 05.04.2022