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29. März 2024

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Weniger Insolvenzen, mehr betroffene Dienstnehmer

Weniger Insolvenzen, mehr betroffene Dienstnehmer © Bilderbox.com

Aktuelle Insolvenzstatistik für erstes Halbjahr zeigt gestiegene Passiva durch Großinsolvenzen und mit 2.595 insolventen Unternehmen nahezu gleiche Anzahl wie im Vergleichszeitraum 2017.

Die Zahlen zeigen einerseits eine nur minimale Veränderung der Fälle und andererseits eine massive Steigerung bei den von Insolvenzen betroffenen Dienstnehmern. Dieses Plus resultiert aus einigen Großfällen, die im ersten Quartal eröffnet wurden. In Summe waren 10.700 Dienstnehmer betroffen, was einem Plus von rund 50 Prozent entspricht und auch die Passiva sind um rund 40 Prozent auf 921 Millionen Euro gestiegen.

Die Bundesländer
Bei den Bundesländern zeigt sich, dass das industriereiche Oberösterreich und Tirol rückläufige Insolvenzzahlen aufweisen und die ebenso industriell bedeutsamen Bundesländer Wien und Steiermark Zuwächse. Gesondert erwähnenswert ist Tirol mit einem Rückgang von über 20 Prozent, ein Bundesland, das sowohl industriell, wie auch touristisch punktet und zudem als geografische Logistikdrehscheibe von der gegenwärtigen Konjunktur profitiert.

Die Branchen
Bei den Branchen spielen abermals Gastgewerbe und Bauwirtschaft eine wichtige Rolle, beides Branchen mit sehr vielen Unternehmen. Bei der Baubranche wiederum gibt es nicht nur viele Unternehmen, sondern auch in vielen Jahren eine relative Spitzenreiterposition (Insolvenzen gemessen an allen aktiven Unternehmen) und zuweilen auch hohe Schuldenstände, je nach Größe des insolventen Bauunternehmens.

Juristische Entwicklung
Seit 2012 beschäftigt sich die EU-Kommission mit Plänen der Harmonisierung des Insolvenzrechtes der Mitgliedstaaten. Im November 2016 wurde ein Entwurf einer Richtlinie veröffentlicht. Diese Richtlinie wird nun seit rund 1,5 Jahren ausgesprochen intensiv diskutiert und dürfte in den weniger „brisanten“ Teilen akkordiert sein. Die Richtlinie enthält folgende fünf Teile:

Allgemeine Bestimmungen (Ziele der Richtlinie und Begriffsbestimmungen), Präventive Restrukturierungsrahmen
(Restrukturierungsverfahren unter weitgehender Ausblendung der Gerichte bzw. ohne Eröffnung und mit nur optionaler Einbindung aller Gläubiger), weiters die sogenannte „Zweite Chance für Unternehmer“
(zwingende Entschuldung „redlicher Unternehmer“ bzw. „honest entrepreneurs“ nach längstens 3 Jahren ohne Mindesterfordernis der Schuldentilgung).

Es folgen Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierung, Insolvenz und zweiter Chance (Ausbildungs- und Überprüfungsmaßnahmen für Insolvenzverwalter und Insolvenzrichter) und schließlich das Monitoring von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren
(Anlieferung von standardisierten Daten über Insolvenzverfahren und deren Beendigung durch die Mitgliedsländer)

Analyse und Ausblick
War das erste Quartal 2018 noch geprägt von einigen Großinsolvenzen, so hat sich diese Entwicklung im zweiten Quartal nicht fortgesetzt. Mit Ausnahme von Zimmer Handelsgesellschaft und Fill Metallbau GmbH stammen alle Großverfahren (Passiva über 10 Mio. Euro) aus dem ersten Quartal 2018. Großinsolvenzen haben laut Experten die Eigenschaft, dass sie nicht prognostizierbar sind und sich auch nicht an Erwartungen halten.
Fallweise werden große Unternehmen auch außergerichtlich restrukturiert und kommen damit gar nicht auf das Insolvenzradar der Justiz. „Aufgrund der aktuellen Entwicklung erwarten wir, dass die Zahl der insolventen Unternehmen gegenüber 2017 nicht signifikant steigen wird“, so Hans-Georg Kantner, Leiter KSV1870 Insolvenz. „Die Passiva und die betroffenen Dienstnehmer hingegen schon, diese sollen deutlich über dem Vorjahr liegen“, ergänzt der Experte des Kreditschutzverbandes von 1870, wo die Insolventstatistik laufend ermittelt wird.

Links

red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 12.06.2018