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17. Juni 2024

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Die Empfindsamkeit der Quantensimulatoren


Die Empfindsamkeit der Quantensimulatoren
© Pexels.com/cottonbro

Quanteneffekte sind anfällig für äußere Störungen und gehen extrem leicht kaputt. Die TU Wien forscht an stabileren Quantenexperimenten und entwickelt neue Varianten an Schutzmechanismen.



(red/czaak) Quantenexperimente haben immer wieder mit demselben Problem zu kämpfen, egal ob es um Quantencomputer geht, um Quanten-Teleportation oder neuartige Quanten-Sensoren: Quanteneffekte gehen extrem leicht kaputt. Sie sind äußerst empfindlich gegenüber Störungen von außen, etwa gegenüber Fluktuationen, die einfach durch die umgebende Temperatur entstehen. Daher ist es entsprechend relevant, Quantenexperimente möglichst effektiv abkühlen zu können.

Relevante Temperatur im ohnehin schon extrem kalten Bose-Einstein-Kondensat
Die TU Wien forscht rund um diese Thematik und konnte nun zeigen, dass eine solche Art von Abkühlung auf eine interessante neue Art erzielt werden kann: Man teilt ein Bose-Einstein-Kondensat in zwei Teile auf, und zwar weder abrupt noch besonders langsam, sondern mit einer ganz bestimmten zeitlichen Dynamik. Diese sorgt dafür, dass zufällige Fluktuationen so gut wie möglich verhindert werden – und so kann die relevante Temperatur im ohnehin schon extrem kalten Bose-Einstein-Kondensat noch einmal deutlich verringert werden. Wichtig ist das für Quantensimulatoren, mit denen die TU Wien Erkenntnisse über Quanteneffekte erzielen möchte, die mit bisherigen Methoden nicht untersucht werden konnten.


„Quantensimulatoren sind Systeme, deren Verhalten durch quantenmechanische Effekte bestimmt ist, und die man besonders gut kontrollieren und überwachen kann. Man kann diese Systeme daher verwenden, um grundlegende Phänomene der Quantenphysik zu studieren, die auch in anderen Quantensystemen vorkommen, dort aber nicht so leicht untersucht werden können“, erklärt Maximilian Prüfe, der am Atominstitut der TU Wien mit Unterstützung des FWF neue Methoden erforscht.

Versuche mit Wasserwellen können Erkenntnisse über Schallwellen bringen
Verwendet wird dabei ein physikalisches System, um eigentlich etwas über andere Systeme zu lernen. Das ist in der Physik nicht völlig neu, auch Versuche mit Wasserwellen können Erkenntnisse über Schallwellen bringen. Wasserwellen sind allerdings leichter zu beobachten. „Quantensimulatoren werden in den letzten Jahren immer mehr zum nützlichen und vielseitigen Werkzeug. Zu den wichtigsten Möglichkeiten, interessante Modellsysteme zu realisieren, gehören Wolken aus extrem kalten Atomen, wie wir sie in unserem Labor untersuchen“, erläutert Prüfe. Quantensimulation ist auch ein zentrales Thema im kürzlich gestarteten Exzellenzcluster QuantA, in dem verschiedene Quantensysteme untersucht werden.


Die entscheidende Größe, die die Einsatztauglichkeit solcher Quantensimulatoren derzeit normalerweise limitiert, ist ihre Temperatur. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, etwas abzukühlen: Man kann zum Beispiel ein Gas kühlen, indem man sein Volumen sehr langsam vergrößert. Bei extrem kalten Bose-Einstein-Kondensaten werden die energiereichsten Teilchen rasch entfernt, bis nur noch eine Sammlung von Atomen übrigbleibt, die ziemlich einheitlich recht wenig Energie haben und somit kühler sind.

Abkühlung durch Kontrolle der Fluktuationen
„Wir verwenden aber eine ganz andere Technik“, sagt Tiantian Zhang, die dieses Thema im Rahmen ihrer Doktorarbeit am Doktoratskolleg des Vienna Center for Quantum Science and Technology untersucht hat. „Wir erzeugen ein Bose-Einstein-Kondensat und spalten es dann in zwei Teile auf, indem wir in der Mitte eine Barriere erzeugen“, so Zhang. Wie viele Teilchen sich danach auf der rechten und auf der linken Seite der Barriere befinden, ist quantenphysikalisch unbestimmt. Aufgrund der Gesetze der Quantenphysik gibt es hier eine gewisse Unschärfe. Das Forschungsteam an der TU Wien konnte nun zeigen, dass weder eine extrem abrupte noch eine extrem langsame Teilung des Bose-Einstein-Kondensats optimal ist.

Es braucht einen Mittelweg, eine genau passende dynamische Aufspaltung des Kondensats, um die Quantenfluktuationen möglichst gut zu kontrollieren. Mit klassischer Berechnung via Computer ist dieses Problem heute nicht lösbar. Das Forschungsteam der TU Wien zeigte mittels einer passenden Aufspaltungs-Dynamik die mögliche Unterdrückung der Fluktuation der Teilchenzahl, und das wiederum übersetzt sich in eine Reduktion genau jener Temperatur, die es zu minimieren gilt. „Die Unterdrückung der Fluktuationen ist genau das, was wir brauchen, um unser System noch besser als bisher als Quantensimulator nutzen zu können. Man kann damit nun auch bisher unzugängliche Fragen aus der grundlegenden Quantenphysik beantworten“, unterstreicht Maximilian Prüfe vom Atominstitut der TU Wien.

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red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 14.05.2024